Für eine Handvoll Euro … lässt sich nicht seriös prüfen. Das kann Folgen haben. Bitte an die Einkäufer weitersagen

 ( hier geht es um ortveränderliche Betriebsmittel )

Kein Einkäufer der Welt muss sich Sorgen darum machen, ob seine Lieferanten viel oder wenig Geld verdienen. Aber wenn es um sicherheitsrelevante Dienstleistungen geht,

sollten sie sich schon Sorgen machen – und zwar um sich selber. Die Frage ist nämlich, ob ein Billig-Anbieter von Prüfungen wirklich seriös zu Dumpingpreisen arbeiten kann.

Denn auch einen Einkäufer kann Organisationsverschulden treffen.

Was darf eine Prüfung kosten?

In manchen Einkaufsabteilungen herrscht seit einiger Zeit Freude über Billiganbieter. Ob diese wirklich sicher prüfen, ist angesichts des vom elektrotechnischen Regelwerks her vorgeschriebenen
Aufwands und der betriebswirtschaftlichen Kenngrößen wie vorgegebener Fixkosten und geringer Gewinnmargen eine zumindest diskussionswürdige Frage.
Um möglichen Gefahren einzuschätzen, muss man die Angebote der preiswerten Anbieter und den Aufwand in Verbindung setzen. Die Frage ist:

>    Lässt sich bei Preisen von zwei Euro pro geprüftem Arbeitsmittel – und das wird mittlerweile angeboten – langfristig wirtschaften bzw. seine Arbeit sach- und fachgerecht ausführen?

Zwölf Arbeitsmittel pro Stunde (*1) dazu folgende Kalkulation: Auch ein versierter Prüfer kann unter optimalen, aber realistischen Bedingungen selten mehr als 12 ortsveränderliche
Arbeitsmittel in der Stunde sach- und fachgerecht prüfen. Diese Annahme beruht auf einer Mischkalkulation. Es gibt Arbeitsmittel die man in 2-3 Minuten geprüft hat, bei anderen wiederum
wird ein Zeitaufwand von 10 Minuten erforderlich sein. Ein weiteres Unterscheidungskriterium spielt auch eine große Rolle. Ist es eine Erstaufnahme oder eine Wiederholungsprüfung
der Arbeitsmittel? Nimmt man zwei Euro pro Arbeitsmittel als Grundlage, so kommt man bei 12 Arbeitsmittel pro Stunde auf einen Lohn von 24 Euro. Davon müssen
verschiedene Posten abgezogen werden. Die Anschaffungskosten für Prüfplaketten und Kleinmaterial liegen bei etwa 0,50 Euro pro Arbeitsmittel, das macht also sechs Euro, die pro Stunde abzuziehen sind und einen verbleibenden etwa Lohn von 18 Euro. Ein weiterer Posten ist die technische Ausrüstung. Ein einigermaßen brauchbares Prüfgerät kostet mit Kalibrierung 1500 Euro (*2), mit entsprechender Software und Laptop kommt man auf Anschaffungskosten von 3000 Euro. Bei einer Abschreibung dieser Ausrüstung im Wert von 3000 Euro über 3 Jahre und einer optimistischen Annahme von 200 Prüftagen `a 8 Stunden im Jahr, muss man vom Stundenlohn von 18 Euro noch mal 5 Euro pro Tag abziehen. Sechs Euro pro Stunde Weitere Abzüge entstehen durch An-und Abfahrt, Bürokosten und Pausen oder Suchzeiten. Also, selbst wenn unser Prüfer sein Prüfgerät geschenkt bekommen hat, wäre ein Bruttostundenlohn von 13 Euro eine äußerst optimistische Annahme, immer noch optimistisch wäre ein Bruttostundenlohn von 10 Euro, real dürfte er zwischen sieben und sechs Euro liegen. Handwerker, der an einer Ausschreibung teilnehmen, verlangen heute etwa 34 Euro (*3) für die Arbeitsstunde eines Gesellen, für die eines Meisters zehn Euro mehr. Mit gutem Grund: Es sind Sozialabgaben zu leisten, ein dreizehntes Monatsgehalt und Urlaub einzukalkulieren etc.

Selbst wenn man den Gesamtertrag des Prüfers von 24 Euro pro Stunde heranzieht, dürfte klar sein, dass er – gelinde gesagt – knapp kalkuliert. Würde er nach Abzug der reinen Materialkosten,
der An- und Abfahrten, der Abschreibungen überhaupt einen Gewinn machen? Welche qualifizierte Elektrofachkraft - und die sind nachweislich Mangelware - arbeitet für das kleine Geld?


Risiken für Einkäufer:

Für den Einkäufer dieser Leistung entstehen zwei Risiken:

    >    a) der Anbieter könnte während des Auftrages pleite gehen, da er offenkundig nicht kostendeckend arbeitet.
    >    b) wenn der Anbieter offenkundig nicht rechnen kann, wie ist denn sicherzustellen, dass er seine Arbeit überhaupt beherrscht? Ist er qualifiziert genug?


Es ist leider so:

Viele Anbieter solcher Prüfungen beherrschen bzw. kennen die aktuellen Vorgaben nicht, etwa dass eine Gefährdungsbeurteilung für ein Arbeitsmittel unabdingbar gefordert wird.

Hier die wichtigsten Regeln kurz aufgeführt:

BetrSichV, TRBS´n, BGV A3, VDE 0105-100 und die VDE 0701/0702.
Wenn der Einkäufer hier keine Risikoabwehr betreibt und diese Fragen sinnvoll beantworten kann, kommt er in den Bereich des so genannten Organisationsverschuldens herein.
Auch Einkäufer bewegen sich nicht im haftungsfreien Raum. Wenn jemand eine Dienstleistung unterpreisig einkauft, muss man die möglichen Risiken bedenken und Risikoabwehr betreiben.
Denn man kann seine Unternehmerhaftung hinsichtlich der Arbeitsmittel per Vertrag nicht delegieren. Auch wenn unseriöse Anbieter behaupten, der Aufraggeber sei, wenn sie prüfen von
der Haftung befreit, lügen. Ausdrücklich und noch mal:

>        Mit dieser Behauptung wird der Auftraggeber, der Einkäufer oder der Kunde vorsätzlich in falscher Sicherheit gewogen.

Es ist so:
Seriöse Dienstleistung kostet Geld. Wer weniger ausgeben will, muss mit den Risiken leben, und akzeptieren mit dem Gesetz gegebenenfalls in Konflikt zu geraten. Das Gesetz
der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.

Autor: Dipl.-Ing. Thorsten Neumann 
in der www.elektrofachkraft.de von 11/2007

hier der Originaltitel zum download

 

ich habe mir mal erlaubt ein paar Randnoten einzubringen 

*1    12 Arbeitsmittel / Prüflinge Geräte, wie auch immer, pro Stunde ist eine realistische Größe. Vorausgesetzt dass die Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt wird. Im allgemeinen werden dann ca. 80-120 Geräte         am Tag geprüft werden können. Was der Autor leider nicht berücksichtigt hat, sind die "Spielereien" mit den Regie- und Wartezeiten ( wer auch immer diese Begriffe erfunden hat ).

        Fakt ist: eine Prüfung beinhaltet, die Sichtprüfung, die elektrische Sicherheitsprüfung, die Erprobung und die Dokumentation. Alles andere wie, auseinanderbauen von Möbeln, Möbel verrücken, Tische         abräumen um die Tischplatte nach vorne ziehen zu können, unter den Tischen die Kabelkanäle zu öffnen und danach wieder zu verschließen,  Kabelbinder zu entfernen und wieder anzubringen,         Systemschläuche öffnen und die Leitungen wieder sauber einbringen  usw. fallen nicht unter die Prüfung.  Jedoch ganau hier liegt der Zankapfel. Kunde: ich habe pro Stück gekauft. Verkäufer hat das vorher             wahrscheinlich nicht richtig kommuniziert oder der Kunde will sowas einfach überhören.

        Leider wird das alles auf den Rücken der Prüftechniker ausgetragen! Der Prüftechniker ist gegeißelt, entweder am täglichen Umsatzdruck, oder an Stückzahlen.  

*2    die Neupreise der VDE Prüfgeräte gehen von 500.- € bis zu 3000.- €, je nach Umfang was das Gerät leisten kann. Der Testboy VT465 gibt es bereits ab 471.- €. Ein Platzhirsch ist das Gossen Metrawatt S4.                     dies kostet etwa 2600.- €. Jedes Messgerät hat seine Vor- und Nachteile. Die Software ist auch wieder eine Sache für sich. Fast jeder Prüfgerätehersteller hat seine eigene Software. Oft wird diese beim Kauf               eines Prüfgerätes mit dazugelegt. Eine universelle Prüfdatenbank ( Software ) stellt die Firma MEBEDO bereit, allerdings ist diese nicht ganz billig und um damit vernünftig arbeiten zu können bedarf es einer              intensiven Einarbeitung.      

*3     Gängige Praxis heutzutage ist, daß der Prüfer einen Festlohn bekommt mit der Option sein Bruttoeinkommen durch Provisionen zu erhöhen.                                                                                                     Ein Beispiel:

          >    Prüfer erhält 2300.- € brutto im Monat  ( wenn er die Bestellung nur zum Prüfen von Ortsveränderlichen Geräten hat )

          >    dafür soll er täglich einen Umsatz von sagen wir mal 400.- € erwirtschaften bei einem Stückpreis von 2.- €.

                Ergo ergibt das eine täglich zu erbringende Stückzahl von !! 200 !! Prüfungen am Tag ( bei 8 Stunden ). Dies bedeutet pro Stunde 25 Prüflinge zu schaffen, ohne Pipi- oder Zigarettenpausen. Rechnen wir hier mal nach:   die Stunde hat 60 Minuten. Also darf die reine Prüfung maximal  2,4 Minuten dauern. Wie soll man da noch eine Provision erwirtschaften können, wenn Sach- und Fachgerecht geprüft  werden  soll?  Meiner Ansicht nach gar nicht.  

Ein ganz übler Trick von manchen Arbeitgebern besteht darin, dass die Fahrzeit zum Kunden KEINE Arbeitszeit darstellt. Allerdings hat selbst der EuGH mit Urteil vom 10.9.2015, Az: C-266/14  entschieden, dass eben diese Fahrten als Arbeitszeiten anzurechnen sind. Schlimmer geht es immer. Ich war mal bei einem Prüfdienstleister  beschäftigt, da war die Fahrzeit auch keine Arbeitszeit,  die regelmäßigen Anfahrten betrugen meistens 400-500 KM. Somit musste man schon Sonntags anreisen und unter der Woche malochen wie ein Schwein, damit man Freitags früher fahren konnte. Das Wochenende war somit für den "Arsch". Zudem wurde noch eine "indviduelle" KFZ Pauschale in Höhe von 200.- € monatlich vom Nettolohn in Abzug gebracht. Genauso wurden willkürlich Stunden gekürzt. Die freiwillige Zahlung des Verpflegungsmehraufwand wurde natürlich nicht geleistet.  

Noch ein Beispiel: ein Mitbewerber wollte mich bei meiner vorherigen Firma abwerben, mit dem Argument: bei uns bekommst du das Gehalt, welches du dir wünscht.

Es gab da nur einen "kleinen" Haken. Ich wollte 2000.- € netto ( also nicht den Discounter ). Da wurde mir dann vorgerechnet > Tagesumsatz = 530.- €, jeden Prüfling den ich mehr schaffe bekomme ich 20ct oben drauf. Die Verpflegungspauschale wurde auch mit verwurstelt. Kurz und knapp: das Pferd wurde von hinten aufgezäumt. Brutto hätte ich dann 1350 .- € lt. Anmeldung verdient.

Fazit liebe Einkäufer  

erspart Euch solche Haftungsfragen. Wer eine ehrliche Prüfung will, muss dazu auch Geld in die Hand nehmen. Etiketten kleben können viele, richtig Prüfen nicht so viele. Lasst Euch die Namen der Verantwortlichen Elektrofachkraft geben, zudem noch die Nachweise hierfür. Auch vom dem geplanten eingesetzten Techniker die Bestellung und die Nachweise seiner Befähigung. Liest Euch die TRBS 1203 genau durch.  Immerhin steht ihr bei Beauftragung auch immer mit einem Bein im "Knast". Als Gutachter und Sachverständiger kann ich Euch das nur dringendst empfehlen.  Jeder meiner Kollegen und auch ich schlagen Euch und der beauftragten Prüfdienslteister ansonsten die Prüfberichte als obsolet um die Ohren und die Versicherung wird im Schadensfall keinen Cent rausrücken. Und das zu Recht.